Schule auf der Überholspur

Jeden Morgen schicke ich mein Kind zur Schule. Ich würde mich sehr freuen, wenn es sich motiviert auf den Weg machen würde. Der Schultransport ist gut abgesichert. Hier liegt nicht das Problem. Es ist derzeit morgens dunkel, nass und kalt. Die beiden Wetterfaktoren lassen sich nicht ändern, ohne den Wohnort zu wechseln. Hart ist vielmehr der zeitige Schulbeginn. Das Gehirn meines Kindes ist noch im Pflanzenmodus. Das vieler anderer Kinder offensichtlich auch. Im KinderGarten scheint das Vegetieren noch machbar, aber in der Schule tun mir Schüler und Lehrkräfte leid.

Gerne erinnere ich mich an die vielen Zeichnungen und kreativen Texte aus der Grundschulzeit. Damals hatten wir mit anderen engagierten Eltern eine Grundschule gegründet, die unseren Kindern viel Freiraum und doch Struktur bot. Ein gutes Zusammenspiel mit dem Hort war hierfür ein entscheidender Faktor. Die Kinder hatten oft die Möglichkeit, spielerisch und in ihrem individuellen Tempo Zusammenhänge zu “erfassen” und zu “begreifen”. Einige der Produkte ihrer Arbeit machen uns heute noch große Freude. Diese Art des Lernens war u.a. möglich durch kleine Klassen von damals nicht mehr als 16 Schülern. Wundervoll! Es gab offene Türen, ruhige Rückzugsorte und jede Menge frei zugängliches ansprechendes Material. Unsere Kinder gingen gerne zur Schule, zur Grundschule.

Die Freude an der Schule war jedoch nach den ersten Jahren leider verschwunden. Die Kinder wechselten noch mit gespannter Aufregung und großer Neugier zu weiterführenden Schulen. Das erwartete sie dort: Sehr viele Mitschüler, großer Lärm, Druck, Druck und noch mehr Druck, grenzwertig belastete Lehrkräfte, hässliche Funktionsgebäude und wenig Raum für Kreativität und individuelle Verwirklichung. Das begegnete ihnen als ihr Alltag und schien ihre Zukunft zu sein. Nein! Zuhause versuchten wir einen Ausgleich zu schaffen und gerieten hierbei ziemlich schnell an unsere Grenzen. Die Pubertät setzte ein, Peergruppen wurden zu Normengebern UND die unvermeidlich scheinenden neuen Medien zerstörten unser Familienleben dann letztlich ganz. Das ist zutiefst traurig und – obwohl mittlerweile scheinbar die Norm – keinesfalls normal und zufriedenstellend.

Im schulischen Raum mussten wir ansehen, wie die Kinder mit immer mehr psychisch labilen Menschen zusammenkamen und wie ihre Freude am Lernen vollends verloren ging. Es schien, als quälten sie sich durch zähe zehrende Schultage und breiigen Stoff. Der reale Alltagsbezug ging ihnen verloren. In der Coronahochzeit gipfelte alles in einer katastrophalen Vereinsamung vor dem PC. Lehrer und Eltern waren oft nicht in der Lage, Stoffvermittlung und Lernabläufe zu sichern. Keiner war auf eine solche extreme Situation vorbereitet. Alle waren wir überfordert. Entsetzlicherweise herrschte große Verunsicherung und Angst. Auch nach dem sogenannten „Lockdown“ kamen viele Kinder – und auch ihre Eltern - nicht wieder aus ihrer Verunsicherung heraus.

Wie können heute junge Menschen mit unerschütterlicher Zuversicht in die Zukunft blicken, wie können sie sich motiviert Wissen hierfür aneignen, wie mit energievoller Begeisterung forschen, wenn ihnen doch immer wieder Endzeitszenarien präsentiert werden?

Wenn es mit unserer Welt angeblich in absehbarer Zeit zu ende geht, also in einer Situation, zu der ihre Eltern maßgeblich beigetragen haben sollen, ist es für eine Vielzahl junger Menschen entschieden einfacher, die Flucht in fiktive mediale Welten zu ergreifen, wo schnelle Belohnungen primitivst locken. Points, Coins und Likes ersetzen ein echtes Miteinander. Statt ihre Eltern zu fragen, genügt doch ein Blick in die Suchmaschinen. Wir sind auf dem direkten Weg, eine ganze Generation an eine höchstmanipulative künstlich geschaffene Scheinwelt zu verlieren. Ein Blick auf einen Schulhof zur Pausenzeit verrät vieles: es wird kaum mehr gerannt und gerangelt, sondern auch hier sind die kleinen rechteckigen Geräte vorherrschend. Körperlicher Ausgleich geht verloren. All dies eben Beschriebene entsetzt mich. Ich möchte wieder freudvolle, ideenreiche und begeisterungsfähige junge Menschen erleben. Wir brauchen doch unsere Jugend zur Gestaltung einer guten Zukunft. Ich bin voller Wissen, altersgemäßer Weisheit und verfüge über NI (Natürliche Intelligenz), doch wurde ein so großer Keil zwischen die Eltern- und die Kindergeneration getrieben, dass unsere Kinder uns leider oft für überflüssig, unwissend, ignorant und egoistisch halten, besonders wenn wir Ihnen Orientierungshilfen geben wollen. Das ist schade, bzw. fügt es unserer Gesellschaft einen großen Schaden zu.

Die Begriffe, mit denen wir die unterschiedlichen Generationen mittlerweile beschreiben, sind im Alltag nicht wirklich hilfreich. Unsere unglaubliche Toleranz für alle möglichen Minderheiten hat uns auch nicht geholfen. Wichtig ist, dass wir jungen Menschen aufzeigen, dass es eine stabile Welt gibt, die auf sie wartet und die sie wirklich braucht. Toleranz sollte besonders zwischen den Generationen herrschen, das respektvolle aktive Miteinander von Jung und Alt ist schließlich die Grundlage für Zukunftsfähigkeit.

Es wird allerorts die mangelnde Leistungsbereitschaft junger Menschen beklagt. Warum sollte ein Schüler denn das Bedürfnis haben, besondere Leistungen zu erbringen, wenn ihm dann schlimmstenfalls eine Außenseiterrolle zukommt? Das Mitschwimmen in einer gleichförmigen Masse erscheint viel einfacher. Die Erziehungsarbeit wurde zeitgleich vom Elternhaus an die Schulen delegiert, mit der Aufforderung, auf alle Befindlichkeiten der Kinder einzugehen. Wie soll das alles funktionieren? Große Klassen, übermüdete Schüler, Hauptschwerpunkt der Förderung auf der Integration auffälliger Kinder, u.v.m.

Was gute Lehrer leisten, ist kaum vorstellbar. Was unsere Kinder täglich ertragen aber leider auch. Gebraucht werden wirklich schöne, helle, menschenfreundliche Schulgebäude, alternative Lernorte und jede Menge gut ausgebildete Lehrkräfte und Unterrichtsbegleiter. Gebraucht werden zündende innovative Ideen, die über eine Änderung der Sitzordnung und die hochgelobte Gruppenarbeit weit hinausgehen. Wir müssen ein ehrliches Schulsystem haben, das eben nicht für die Vielzahl der Schüler im Abitur enden kann. Das bedeutet, dass die alternativen Schulabschlüsse wieder eine erkennbare Wertigkeit erhalten müssen.

Ent- und ansprechende Förderung der vielen jungen Menschen wird gebraucht, die deren individuellen Begabungen und Interessen gerecht wird. Das lässt sie ihren idealen Platz in einer zukunftsfähigen Gesellschaft finden und mit Freude und Engagement ausfüllen.

Auf geht’s!
A. Trabeck

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